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19.08.2024

Die unbeachtete Welt der Straßenflora – Buchbesprechung

„Blütenzauber an Hamburgs Straßen“ heißt das neueste Werk von Harald Vieth. Gisela Baudy von HARBURG21 stellt es vor.

Cover von "Blütenzauber an Hamburgs Straßen"Kennen Sie den Gelben Lerchensporn, das Silberkraut oder die Wiesen-Flockenblume? Bäume und ihre Wichtigkeit für Mensch und Tier – besonders in Zeiten des Klimawandels – sind inzwischen in aller Munde. Was ist aber mit den blühenden Sträuchern und Blumen am Wegesrand? Nur wenige achten auf sie oder kennen ihre Namen, geschweige denn ihre Bedeutung für die Insekten und Vögel wie für das Stadtklima überhaupt.

Mit seinem neuesten Werk „Blütenzauber an Hamburgs Straßen – Eine Freude für Menschen und Insekten“ möchte Harald Vieth das Augenmerk auf die vielfach übersehene Flora am Straßenrand lenken: „Um uns herum, sozusagen zu unseren Füßen, gibt es an vielen auch unerwarteten Stellen etliche Blühwunder.“ Dabei legt der Autor den Fokus auf ausgewählte Straßen in Hamburg. Und er scheut nicht, auch einjährige Pflanzen in Text und Bild vorzustellen, die im nächsten Jahr durch andere ersetzt sein könnten. „Seien Sie selbst Pionier/-in!“, so Vieth. „Auf Grund meiner Beschreibungen und Fotos können Sie zahlreiche Stellen mit blühenden Pflanzen entdecken, an denen Sie wahrscheinlich bisher achtlos vorbeigegangen sind.“

In Anlehnung an Friedrich Schillers Zitat „Raum ist in der kleinesten Hütte …“  beginnt Vieth mit Überlebenskünstlern auf engstem Raum: mit Blumen in Pflasterritzen und Mauerspalten, die am meisten übersehen werden oder sogar ein Dorn im Auge sind. Dazu gehören etwa die essbare Kohl-Gänsedistel, die in der Grindelallee 164 derzeit aus Pflastern emporsprießt und im Mittelalter als Gemüse diente, oder der Gelbe Lerchensporn (Gelber Scheinerdrauch) in einer Mauerritze am Dammtordamm, der als invasive Pflanze in Gärten oft zum Ärgernis wird.

Es folgen auf 66 Seiten vier klar nach den Farben gelb, weiß, blau und rot gegliederte Kapiteleinheiten zu Hamburgs Straßenflora. Im Kapitel „Straßenflora mit gelben Blüten“ etwa erfahren wir in Text und Bild, dass das Schmalblättrige Greiskraut als invasive Pflanze aus Südafrika in vielen Hamburger Straßen zu finden ist (hier etwa Bundesstraße, Innocentiastraße, Groß Borstel etc.). Oder wir können die Pracht-Königskerze auf der Wildblumenwiese vor dem U-Bahnhof Schlump bewundern. Bei den Beispielen für „großflächiges Gelb“ finden wir hier zum Beispiel die Forsythien-Büsche an der Alten Lombardsbrücke, mit dem Hinweis, dass sie zwar eine Augenweide sind, aber weder Nektar noch Pollen noch Früchte für die Insekten haben.

Zwei weitere Kapitel entführen uns zu einer jahreszeitlichen Blumenschau in dem „besonderen Vorgarten“ der Hallerstraße 8 und zu einem Rundgang durch Hallerstraße und Hochallee. In diesen Straßen finden wir unter anderem Blumen-Beete, die Anwohner angelegt haben, aber auch kleine Grüninseln, zum Beispiel mit dem gelben Färber-Waid, der im Mittelalter als Färberpflanze kultiviert wurde, oder das Herzgespann (Leonurus), traditionelle Heilpflanze bei Herzkrankheiten (in der Nähe der Hallerstraße 6).

Die letzten fünf Kapitel widmen sich speziellen Themen wie den Stockrosen (Malven) und Rosen am Straßenrand, ferner Beeten und angelegten Wildblumenwiesen oder Blüh-Dächern und blühenden Bäumen (Kastanien, Trompeten-, Kirsch-, Apfel- und Schnurbäumen, ferner Seidenakazien). Etwas unklar ist das Kapitel „Einige Blütengrüße aus der Innenstadt“. Die hier angeführten Pflanzen wie Schmucklauch (Zierlauch) oder Weg-Malven hätten gut auch in die anderen Kapitel gepasst. Etwas irritierend ist hier vielleicht auch die großflächige Abbildung der zwar farbkräftigen, aber aus künstlichen Blumen kreierten Blumenkugel auf Seite 159, die Teil der Gemeinschaftsaktion „Hamburgs Sommergärten“ war.

Fazit: Vieth, pensionierter Sprachenlehrer und langjähriges Mitglied der Fachgruppe Baumschutz des NABU Hamburg, hat mit „Blütenzauber an Hamburgs Straßen“ ein sprachlich leicht zugängliches und wichtiges Pionier-Werk geschaffen, das die Leserschaft dazu anregt, statt telefonierend durch die Straßen zu ziehen, die meist unbeachtete Straßenflora mit allen Sinnen wahrzunehmen. Über 200 farbige Fotos und instruktive Informationen unterstützen bei der Suche nach neuen Entdeckungen. Sehr nutzerfreundlich ist dabei auch das „Baum-, Sach- und Personenregister“ am Ende des Bandes.

Empfehlungen für weitere Auflagen
Zur besseren Orientierung der Leserschaft wäre bei weiteren Auflagen eine deutlichere Abgrenzung der Kapitel, etwa im Kopf jeder Seite, hilfreich. Oft ist die jeweilige Pflanze im Bild nicht klar zu erkennen. Hier könnten die vielen weißen Flächen auf den linken Seiten für weitere Großaufnahmen von Blatt und Blüte sowie für ausführlichere Informationen genutzt werden. Auch böte sich eine Übersicht über die Insektenfreundlichkeit und eventuell der Heilwirkung der berücksichtigten Pflanzen am Ende des Bandes an – natürlich mit dem Hinweis, dass Heilpflanzen besser nicht vom Straßenrand gepflückt werden sollten. Darüber hinaus könnte eine durchgehende Trennung von Blühpflanzen am Wegesrand und blühenden und anderen Bäumen sinnvoll sein. So finden Leserinnen und Leser zum Beispiel unerwartet eine Großaufnahme des Ginkgos (der zudem kein Bienengehölz ist) mitten unter anderen Informationen zu den Straßenblumen.

Literaturangaben: Harald Vieth, Blütenzauber an Hamburgs Straßen – Eine Freude für Menschen und Insekten. Selbstverlag Harald Vieth, Hamburg 2024, ISBN 978-3-00-078266-4, Hardband, über 200 Bilder in Farbe, 180 Seiten. Bestellung unter www.viethverlag.de.

Gisela Baudy

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